Raus aus der Opfer­rol­le — 5 Tipps und Gründe

Die Opfer­fal­le: Schuld sind immer die Ande­ren? Ken­nen Sie auch Men­schen, die ihre eige­nen Hän­de auf­fäl­lig häu­fig in Unschuld waschen? Ganz gleich ob im Pri­va­ten oder im Job — an der per­sön­li­chen Unzu­frie­den­heit, dem Miss­erfolg, der bela­sten­den Situa­ti­on oder oder oder — Schuld sind immer die ande­ren. Sehr beliebt dabei sind die Aus­re­den und Schuld­zu­wei­sun­gen und nicht zu ver­ges­sen die vie­len nega­ti­ven Bewer­tun­gen. Die­se bezie­hen sich selbst­ver­ständ­lich nicht auf die eige­ne Per­son, son­dern immer auf ande­re Men­schen und natür­lich die ungün­sti­gen Umstände.

1. Ach­te auf Aus­re­den, Bewer­tun­gen oder Schuldzuweisungen

Erkenn­bar sind die­se an Satz­kon­struk­tuio­nen wie diese: 

  • „Ich hät­te es ja geschafft, aber …“
  • „Weil die ande­ren …, konn­te ich nicht …“
  • „Wenn nicht …X… gewe­sen wäre, dann hät­te ich schon lan­ge …XXX…“
  • „Wenn es mir nicht so schlecht gin­ge, dann …“

2. Wohnt der Aus­re­den­künst­ler in Dir? Dann schmeiss ihn raus! 

In der selbst­ge­wähl­ten Opfer­rol­le haben der Selbst­be­stim­mer und Aus­re­den­künst­ler Top­über­le­bens­chan­cen. Für alles, was den bei­den wider­fährt, suchen und fin­den sie Schuld bei den Ande­ren und Aus­re­den. Auf Dau­er ist das für Freun­de, Kol­le­gen und selbst Fami­li­en­mit­glie­der anstren­gend, wes­halb die­se auf Dau­er lie­ber auf Distanz gehen. Umso wich­ti­ger ist es spä­te­stens dann, sich selbst zu hin­ter­fra­gen. Oft hilft es schon, ein­fach mal zu schwei­gen und nicht nega­tiv zu bewer­ten, son­dern gezielt zu schau­en, was Gutes an der Situa­ti­on ist.

3. Die extre­me Form: Gas­light­ing — die Real­tiät verleugnen

Viel­leicht liegt zur Opfer­men­ta­li­tät sogar eine extre­me Form des Ver­leug­nens vor? Gas­light­ing ist eine mani­pu­la­ti­ve Tak­tik, die in ver­schie­de­nen Varia­tio­nen von drei Phra­sen beschrie­ben wer­den kann: “Das ist nicht pas­siert”, “Das hast Du Dir nur ein­ge­bil­det” und “Bist du ver­rückt?” Men­schen mit star­ker Opfer­ten­denz wen­den die­se Phra­sen in Kom­bi­na­ti­on bei Mit­men­schen an. Kom­men die­se Sät­ze und Gedan­ken häu­fi­ger vor, dann sind sie ein deut­li­ches Wahn­si­gnal und haben sich mög­li­cher­wei­se im Han­deln und Den­ken als Muster ver­fe­stigt. Gas­light­ing ist eine heim­tücki­sche mani­pu­la­ti­ve Tak­tik. Nicht alle, aber vie­le Anwen­der ken­nen den Nutzen.

Der Sinn für Rea­li­tät wird unter­gra­ben und ver­zerrt und ent­spre­chend wei­ter­ge­ge­ben. Das kann ver­her­ren­de Aus­wir­kun­gen auf das Umfeld haben. Um der Real­tität­ver­leug­nung zu wider­ste­hen, ist es wich­tig, sich selbst in der eige­nen Real­tität zu erden, zum Bei­spiel Erleb­nis­se zu notie­ren, sie mit Freun­den zu tei­len oder sich einem Netz­werk anzu­schlie­ßen, um geziel­te Maß­nah­men anzu­stre­ben. Die Gemein­schaft die­ser Netz­wer­ke kann hel­fen, die eige­ne inne­re Füh­rung und Ver­ant­wor­tung zurück zu erlan­gen und die­se Form der Mani­pu­la­ti­on künf­tig gegen­über sei­nen Mit­men­schen zu unterlassen.

4. Kurz­fri­sti­ge Vor­tei­le der Opferrolle

Das Ein­neh­men der Opfer­hal­tung mit abschät­zi­gen Bewer­tun­gen, Aus­re­den und Schuld­zu­wei­sun­gen bringt kurz­fri­stig sogar Vor­tei­le. Nicht sel­ten las­sen sich ande­re Men­schen davon für eine gewis­se Zeit mani­pu­lie­ren. Auf Dau­er “han­deln­de Opfer” sind jedoch nicht zu ertra­gen. Wer Mit­men­schen nicht ver­lie­ren möch­te, soll­te sein mani­pu­la­ti­ves Ver­hal­ten so schnell wie mög­lich ein­stel­len. Damit das bes­ser gelin­gen kann, ist es wich­tig nach dem eige­nen Grund der Opfer­men­ta­li­tät zu fra­gen und die­sen zu identifizieren.

5. Bist Du ein Opfer-Fan? Fin­de die Grün­de für die Opferhaltung

Jeder Mensch besitzt eine prä­gen­de Vor­ge­schich­te. Hier mani­fe­stier­ten sich häu­fig Glau­bens­sät­ze und ein­ge­fah­re­ne Denk- und Ver­hal­tens­mu­ster. Die Grün­de, war­um Men­schen sich plötz­lich und spon­tan für die Opfer­rol­le ent­schlie­ßen, sind viel­fäl­tig und wer­den von ihnen gern auch in Kom­bi­na­ti­on genutzt. Den eige­nen Glau­bens­sät­zen auf die Spur zu kom­men, wäre ein erster rich­ti­ger Ansatz. Jeder Mensch hat eige­ne Glau­bens­sät­ze, die ein jeder über sich ken­nen und regel­mä­ßig über­prü­fen kann. Ein Coa­ching gibt hier­bei prak­ti­sche und schnel­le Unterstützung.

Grund 1: Kom­fort­hal­tung Opfer

Das Weg­schie­ben von Eigen­ver­ant­wor­tung ist sehr bequem und der leich­te­ste Weg. Wer stets ande­re beschul­digt und Aus­re­den parat hat, ist selbst nicht ver­ant­wort­lich, muss sei­ne eige­ne Wahr­neh­mung nicht schär­fen oder zur Ver­bes­se­rung bei­tra­gen — sprich: er muss nicht han­deln und kaum ent­schei­den. Die pas­si­ve Opfer­rol­le ist da weit­aus kom­for­ta­bler. Ein wei­te­rer posi­ti­ver Neben­ef­fekt für die Opfer­hal­tung: Das Selbst­mit­leid schützt vor Akti­vi­tät und Anstren­gung. Auch kann mit dem Selbst­mit­leid Auf­merk­sam­keit und Mit­leid erzeugt wer­den. Fra­ge an sich selbst: Wür­de ich mich selbst gern mit so einem Men­schen umge­ben und möch­te ich so ein Mensch wirk­lich sein?

Grund 2: Emo­tio­na­ler Profit 

Die Opfer­rol­le bringt den Anwen­dern oft Mit­leid, Trost, Ver­ständ­nis und Auf­merk­sam­keit. Für kon­struk­ti­ve Tipps ist das Inter­es­se aber eher in der Regel sehr gering. Ver­spre­chun­gen wer­den igno­riert oder nur ali­bi­mä­ßig kurz­fri­stig umge­setzt. Rat­schlä­ge sind schließ­lich Schlä­ge. Lie­ber umge­ben sie sich mit Men­schen, die auch viel stöh­nen und lei­den. Die­ser Gewinn von Nähe ist aller­dings nicht nach­hal­tig und bezie­hungs­för­dernd, son­dern macht auf Dau­er unbe­liebt und einsam.

Grund 3: Überlegenheit 

Wer sagt, dass die Ande­ren dumm oder sogar schlecht sei­en, stellt sich über sie. Und weil der „Opfer­mensch“ viel bes­ser ist als alle ande­ren, in sei­nen Kom­pe­ten­zen, Fähig­kei­ten, im Den­ken und Han­deln, sind die Ande­ren dumm oder wer­den von ihm viel­leicht sogar als böse oder gestört bezeich­net. Dadurch hebt sich der “Opfer­mensch” selbst in eine mora­lisch über­le­ge­ne Posi­ti­on, die er für sein schwa­ches Selbst­wert­ge­fühl braucht und ihm viel­leicht sogar kurz­fri­stig das Gefühl von Macht und Kon­trol­le ver­leiht. Die­ses Muster kann am besten über Bord gewor­fen wer­den, indem das eige­ne Selbst­wert­ge­fühl mit den Din­gen des Lebens gestärkt wer­den, die tat­säch­lich erfül­len. Damit sind wir bei der Fra­ge: Was brau­che ich wirklich?

Grund 4: Gerin­ges Selbstbewusstsein

In der Regel sind es nicht die selbst­si­che­ren Men­schen, die sich regel­mä­ßig als ver­meint­li­ches Opfer prä­sen­tie­ren. Man­gelt es an Selsbt­wert­ge­fühl, kann die Opfer­hal­tung auch von dem gro­ßen Ver­lan­gen nach Bestä­ti­gung und Aner­ken­nung her­rüh­ren. Was fehlt wirk­lich, wie lau­ten die eige­nen Befürf­nis­se und wie kön­nen sie nach­hal­tig erfüllt wer­den? Die Ant­wor­ten auf die­se Fra­gen hel­fen dem eige­nen Bewusst­sein, um wie­der stär­ker zu werden.

Grund 5: Projektion

Nega­ti­ve Emo­tio­nen wie Frust, Ärger, Wut und Ent­täu­schung wer­den gezielt an bestimm­ten Per­so­nen (z.B. Part­ner, Part­ne­rin, Schwe­ster, Bru­der, Mut­ter, Vater, Kol­le­gen, Vor­ge­setz­te, Mit­ar­bei­ter) durch ver­ba­le Gewalt oder sogar kör­per­li­che Angrif­fe aus­ge­las­sen. Legit­miert wer­den die­se Angrif­fe, indem ande­re schul­dig gespro­chen werden.

Das eige­ne Unver­mö­gen und die damit ver­bun­de­ne Unzu­frie­den­heit wer­den auf ande­re pro­je­ziert, damit kei­ne Eigen­ver­ant­wor­tung über­nom­men wer­den muss. Genau zu die­sem Zeit­punkt muss ein Schul­di­ger her. Kurz­fri­stig geht es dem “Opfer­mensch” und Opfer-Fans bes­ser.  Selbst­ver­ant­wor­tung und Selb­stän­dig­keit wer­den jedoch nicht gelernt. Wer die­se wirk­lich ler­nen will, soll­te die­se For­men von Pro­jek­ti­on sofort stop­pen, sich selbst und sei­ne Gedan­ken beob­ach­ten und geziel­te Maß­nah­men der Unter­stüt­zung ergrei­fen. Ein Coa­ching kann hier anset­zen und geziel­te Unter­stüt­zung bei dem Ver­än­dern von Denk- und Ver­hal­tens­mu­stern bieten.

Hin­weis: Die­ser Text han­delt nicht von Men­schen, denen schwe­res Leid zuge­fügt wur­de oder wider­fah­ren ist. Opfer brau­chen wah­ren Opfer­schutz, und der beginnt mit Ver­ständ­nis. Die­ser Bei­trag wit­met sich Men­schen, die eine Opfer­rol­le (kre­ieren und) regel­mä­ßig für eige­ne Inter­es­sen instru­men­ta­li­sie­ren und auf der Suche nach Unter­stüt­zung sind.

Autorin: Maria Vaske